Horst Lothar Renner

baur, christoph

Erinnerungen sind noch da, ... 


Erinnerungen sind noch da, und wenn ich sie herauskrame, so sind die leiblichen Eindrücke recht konsistent, die geistig-gefühlsmäßigen aber widersprüchlich, weil neben einer deutlich verspürten Seelenverwandtschaft und - wie könnte ich es leugnen - mordsmäßigen Sympathie, mein lieber Horst doch die Züge der berühmten Katze aufweist, die der Alice im Wunderland erschienen ist, nur um Stück für Stück und Zug um Zug wieder zu entschwinden, wobei als erstaunliches Ergebnis nach vollendetem Schwund ein körperloses Lächeln im Raum stehen blieb.

(...) möge Horst meinen Vergleich nicht als Frechheit auffassen, da auch er kaum behaupten kann, dass man ein Lächeln als Überbleibsel der Erscheinung eines Menschen als gering oder gar als verächtlich bezeichnen darf.

Natürlich gibt es Menschen, die auch bei längerer Abwesenheit - wie schon in ihrer Anwesenheit - nicht nur körperlich raumfüllend, sondern auch seelisch einnehmend wirken. Doch muss ich die Bedeutung des verwendeten Adjektivs ausdrücklich insofern einschränken, dass es dem Eingenommenen nicht immer angenehm sein muss, dass ihm sein geistiger Raum verknappt wird, um so mehr, wenn er wehrlos darauf angewiesen bleibt, vom Einnehmenden gleichsam wieder ausgespieen zu werden wie weiland der Prophet vom Walfisch. Und dieses Schicksal wäre immer noch nicht das schlechteste; man bedenke nur, dass ja die Verdaungsfunktionen solcher Einnehmer manchmal, wenn auch langsam so doch umso gründlicher arbeiten und damit als Ausgang nicht immer dieselbe Öffung zur Verfügung steht, wie sie bei der Einnahme verwendet wurde. Eingenommenheiten wie die eben ausführlich beschriebenen können - wie gesagt - bei Horst nicht verzeichnet werden.

Damit ist aber genug der Rechtfertigungen die - so hoffe ich - meinem Horst genügend Trost gespendet haben. Es soll nämlich der ursprünglich doch kritische Sinn meiner Worte nicht ganz verwischt werden. Dieser zielte darauf ab, Horst zu bewegen, seine Reflexionen selbstkritisch so zu verfärben, dass ihm der wahrnehmbare -und auch beklagte - Beziehungsschwund die virtuelle Beschäftigung bisweilen mit leiser Wehmut versetzen möge, die wiederum einen Handlungsbedarf wecken sollte, die wiedergewonnene Freiheit auch einmal zu nutzen, um einen verknöcherten Juristen zu besuchen, der sich nur wenige Autostunden von seinem Wohnsitz noch immer damit abmüht, aus Stroh Gold zu spinnen, ohne jedoch hoffen zu können, sich von den aufsässigen Ansinnen anstürmender Zwerge zu befreien (aus professionsbedingten Umständen sei hier klargestellt, dass die Metapher keinesfalls auf wirkliche Klienten oder bearbeitete Fälle anspielen soll, sondern dass der Zwerg wie im Märchen als lusttötender Schatten des fleißigen Arbeiters zu verstehen ist, der sich selbst einem unmöglichen Lustobjekt verschrieben hat).