innsbruck – eine reminiszenz
innsbruck – eine reminiszenz
            ich liebe innsbruck
                               
            immer noch
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            die mauern links und rechts
            kommst du von osten
            öffnen den spalt ins blau
            manchmal
            und nur der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            wie eh und je
            zieht auch die gruppe zinnsoldaten
            durch die strassen
            in früheren zeiten lächerlich
            zur attraktion geworden
                                   
            nun
            ich liebe innsbruck
                               
            immer noch
            wer stehen bleibt und schaut
            erfährt geschichte
            wer nachliest in den lauten büchern
            der bleibt
                       wie er 
            gewesen ist
            bleibt in der festung eingesperrt
            hält seine meinung hoch
            wie viele hier
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            die alten sterben langsam weg
            erlerntes bleibt
            wird auch gelebt
            von mann und frau
            auch wenn die tracht
            nur mehr im inneren
                               
            getragen wird
            das kleinkarierte bürgertum
            hat sich zur sonne durchgefressen
            was früher stumpf
                             
            und dümmlich schien
            stellt sich im fenster nun zur schau
            viel breiter
                       höher
                             
            bunter
            was vorher zu durchdenken war
            reizt jetzt nur noch die sinne
            und doch
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            die liebe bleibt
            sie hat sich fest gefahren
            die neuen freunde
                              gleichen 
            nicht den alten
            die alten freunde
                             
            waren gegenpol 
            nun trägt der untergrund 
                                     
            die oberfläche
            ein aufbruch
                         
            ist nicht zu erwarten
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
                  der inn fliesst durch die stadt
                  wie eh und je
            ich liebe innsbruck
                               
            immer noch
            ein flugzeug streift die kirchturmspitze
            die runden berge grenzen ein
            die spitzen berge grenzen aus
            kultur ist wohlbehütet heute
            und regen fruchtet nichts
            die ausgebrachte saat liegt streng bewacht
            in ihren beeten
            ein neuer schrei ist nicht zu hören
            das zeitgemässe grunzen
                                     
            ist ein altes
            fassaden spiegeln ihre pracht
            und spiegeln wider
            wo ist die hoffnung hingekommen
            wo steht der widerstand
                                   
            und wo
            die kunst
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            wie eh und je
                         
            fliesst
            unverbindliches in strömen
            die alten lieder werden noch gesungen
            der alte glaube hält noch wacht
            gemälde
                      zum dekor 
            verkommen
            der nackte mann am kreuz
                                     
            bleibt weggesperrt
            ich liebe innsbruck
                               
            immer noch
            und immer noch
            verbindet sich hier sein und schein
            und nur der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            wer in die berge flieht
            flieht immer wieder
            es sind versuche
                               
            ohne ziel
            wer seine herren lobt
            lobt immer wieder
            das götzenbild 
                            es 
            prägt sich ein
            es formt die menschen
                                   
            trägt die menschen
            dringt formvoll in die körper ein
            im unverstand zeigt sich ein wandel
            im rhythmus 
                         
            und nach aussen hin
            der standpunkt ist nur zeitbezogen
            wer hellt die dunklen flächen auf 
            wer stellt infrage
                             
            wer dringt tiefer
            wer will es wissen
                              wer 
            hat zeit
            wer kämpft 
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
                         
            und spielt kulisse 
            der schönste berg der alpen
            bringt sich ein
            ein kleines dach
                             
            belegt die speicherplätze
            vom filzhut kommt der kühle schatten
            ich liebe innsbruck
                               
            immer noch
            und auch den inn
                             
            wie eh und je
            es war im garten
                             
            war in der stube
            kroch in das dunkle holz 
                                    verschwand
            es war der geist der wilden jahre
            es war ein ausbruch
                               
            war beginn
            und musste auch das ende bringen
            das richtige
                       hat seine 
            zeit
            und auch das falsche
            auch das falsche
            abrupt geplatzt das alibi
            das rundgewölbe zeigt es nicht
            ein blick hindurch
                             
            durchs morsche tor
            der eichentisch
                             
            der alten steg
                                         
            die bar in rot
            das rundgemälde zeigt es nicht
            und nichts war einbezogen
                  da ist das innere
                                   
            wer fühlt
                  da ist das äussere
                                   
            wer sieht 
            und nichts ist ausgesagt
            ich liebe innsbruck
                               
            immer noch
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            ich kommer her
                             
            und gehe fort
            der inn fliesst durch die stadt
            wie eh und je
            wie eh und je
            und nichts hat sich geändert
hlr 12/2005